Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, fallen mir nicht zuerst Klassenräume und Hausaufgaben ein, sondern Spiele im Garten und ein Zimmer voller Legosteine. Schulzeit, das war für mich auch später im Gymnasium kein Warten auf das Wochenende, sondern eine anregende Phase meines Lebens mit teils interessanten, teils öden Fächern. Übrigens hatte ich auch im Gymnasium in der Regel von 08 Uhr bis 13 Uhr Unterricht, nur zweimal pro Woche musste ich auch Nachmittag ran, für eine bzw. zwei Stunden.

Mittagszeit, das hieß für mich heimkommen, Mamas Essen in Empfang nehmen und sich einiges von der Seele reden. Nach dem Essen habe ich erst mal im Karl May weitergelesen, dann wurden die Hausaufgaben erledigt und gelernt, auch im Gymnasium selten länger als bis 16 Uhr.

Wenn ich mir vorstellte, ich würde heute in die Schule gehen, müsste Essen in der Schulküche zu mir nehmen und anschließend noch einige Stunden im Schulgebäude verbringen, dann mache ich drei Kreuzzeichen, dass ich 1959 geboren bin und nicht 2009.

Sind die Kinder heutzutage so viel anders als ich?

Können sie sich heutzutage nicht nur vier, sondern acht Stunden lang auf den Unterricht konzentrieren?

Brauchen sie heutzutage keine Zeit mehr für sich selbst?

Ist ihnen der häufige Kontakt und der Austausch mit wenigstens einem Elternteil nicht mehr wichtig?

Brauchen sie keine Bewegung und keine frische Luft mehr?

Man wird mir entgegenhalten, das sei eben die Zeit, in der wir jetzt leben. Die Mütter wollen nicht nur Hausmütterchen sein, oft müssten beide Elternteile arbeiten, um das notwendige Familieneinkommen zu erwirtschaften, die Schüler müssten auf die Herausforderungen eines angespannten Arbeitsmarktes gerüstet sein, die Pädagogen seien so gut geschult, dass sie auch Kindern aus schwierigen Verhältnissen Werte vermitteln könnten, es gäbe ja neue Konzepte wie „Lernen lernen“, Multimedia-Unterricht usw.

Ich frage nicht danach, was wir jetzt haben – ich frage danach, ob wir es besser haben könnten, wenn wir es wollten. Lt. Angaben des Statistischen Bundesamtes hat sich die Zahl der Aufenthalte in psychotherapeutischen Kliniken unter den 10 – 19jährigen in den letzten 12 Jahren versechsfacht. Das allein wäre schon Grund genug, eine Änderung des Schulsystems – nein, nicht nur des Schulsystems, sondern des gesamten Systems unverzüglich in Angriff zu nehmen.

Gibt es Vorschläge dazu?

Mein erster Vorschlag wäre Konsumverzicht auf allen Ebenen außer in puncto Ernährung. Vielleicht wäre es für manche eine überraschende Erfahrung, weniger zu brauchen und zugleich mehr Zeit für sich zu gewinnen.

Mein zweiter Vorschlag wäre: Weg von der Schulbank, praktische Anwendung des Gelernten. Die meisten Schüler leiden an der Sinnferne der Lerninhalte. Sie können sich – zurecht – nicht mehr vorstellen, dass ihnen diese Inhalte in irgendeiner Weise im Berufsleben nützen könnten. Zeugnisse sind inzwischen keine Reife-Zeugnisse mehr, sondern Qualifikations-Zeugnisse für den Zugang zu Studium und Beruf.