Selbstfindung

von Bernhard Künzner – BEDADEVA-Blog

Immer wieder stößt man auf dieses seltsame Wort: Selbstfindung.
Junge Menschen, die nach der Schule nach Indien reisen, Frauen, die plötzlich aus der Ehe ausbrechen,
Menschen, die ihren Beruf aufgeben, die all ihr Erspartes zusammenkratzen, um eine Weltreise zu unternehmen, alles
das und noch viel mehr wird getan, um sich selbst zu finden. Dr. Frank Kinslow erzählt gerne folgende Geschichte:
Ein junger Mann beschließt, nach Australien zu reisen. Sein Lehrer fragt ihn, was er dort unternehmen wolle. Er
antwortet: Ich will mich selbst finden. Darauf der Lehrer: Warst du denn schon einmal in Australien? Er: Nein.
Die Antwort des Lehrers: Wenn du noch nie dort warst, wieso glaubst du dann, dich dort zu finden?

Ich glaube, der Wunsch nach Selbstfindung ist Ausdruck einer Identitätskrise, natürlich. Menschen, die das
Bedürfnis haben, sich selbst zu finden, wollen herausfinden, wer sie sind. Hierzu stellt sich zunächst die
Frage: Wer bin ich in Bezug auf was oder wen?

Ich kann in Bezug auf meine Familie ein guter Vater und Ehemann sein, im Beruf ein loyaler, engagierter
Mitarbeiter, im Sport ein Siegertyp, ich kann in der Gesellschaft ein gern gesehener Unterhalter oder
hilfsbereiter Nachbar sein usw. Aber um eine oder mehrere dieser Rollen auszufüllen, muss ich etwas tun! Ich muss
etwas gestalten, um meiner Identität eine Form zu geben.
Ich muss, um bei den oben genannten Beispielen zu bleiben, meinen Kindern vorleben, was mir wertvoll erscheint,
ich muss meine Arbeit als Aufgabe verstehen, um meine Firma voranzubringen, ich muss konsequent trainieren, ich
muss mich darin üben, gute Geschichten zu erzählen, ich muss meinen „Hintern“ von der Couch heben und die Ärmel
hochkrempeln. Solange ich meine Identität im Außen suche, laufe ich Gefahr, die Identitäten anderer zu übernehmen,
und das bringt mich nur in die nächste Krise. Solange ich meine Identität in meinen Gedanken suche, bin ich
womöglich schöpferisch tätig, aber nicht in der Weise, dass ich für meine Umwelt als Identität sichtbar werde.

So schwer es auch manchmal fällt und so banal es klingt, meine Identität entsteht nur durch gezieltes Tun. Du
hast eine Idee? Dann verwirkliche sie! Du bewunderst andere Menschen? Dann sei du derjenige, der bewundert wird!
Es gibt niemanden, dem es in die Wiege gelegt wurde, erfolgreich und berühmt zu sein, das ist nur eine Ausrede
für Leute, die auf der Couch liegen bleiben wollen. Jeder erfolgreiche Mensch hat irgendwann mit seiner „Arbeit“
begonnen, und zwar zu einem Zeitpunkt, als er nicht besser oder klüger oder reicher war als du.

Wenn du wissen willst, wer du bist, gib der Welt, was DU geben kannst! Betrachte dich aus der Vogelperspektive
dann frage dich: Was würde die mutigste, liebevollste, weiseste Version deiner selbst jetzt tun? Such nicht
nach Ausreden, die nur deiner Angst, groß zu sein, entstammen. Du bist groß – lebe danach!