Ist es das, was ich will?

BEDADEVA-Blog von Bernhard Künzner

Wer kennt das nicht: Es ist Wochenende! Endlich abschalten, den ganzen Arbeitsstress für 2 ganze Tage vergessen, mal raus
kommen, etwas unternehmen, sich mit Freunden treffen, Abends weggehen, lange aufbleiben usw. Ja, am Wochenende tun wir
das, was uns Spaß macht!

Tatsächlich?

Hmm… ich erinnere mich an so manches Wochenende, bei dem ich ins Zweifeln gekommen bin, ob ich wirklich das tat, was mir
Freude bereitete.
Übers Wochenende zum Schifahren! Hört sich doch gut an? Okay – dazu musste man schon am Freitagabend die Sachen packen –
Schianzüge, Schischuhe (hoffentlich passen sie noch!), Schibrillen, Mützen, Handschuhe, möglicherweise die Schier noch
wachsen und die Kanten nachschleifen, Schlafsäcke nicht vergessen, Waschzeug, Sonnencreme… Das alles für 5 Personen.
Puh! Früher war es auch noch nötig, einen Dachträger aufs Auto zu montieren. Und vor allem noch zur Bank, Geld abheben!
Hat jeder seinen Ausweis dabei?
Bis man dann endlich alles hatte, war es Zeit zum Schlafengehen. Am nächsten Morgen früh raus, noch schnell frühstücken,
die schläfrigen Kinder davon überzeugen, dass es vernünftig ist, so früh loszufahren, weil man den Tag ausnützen will,
dann rein ins Auto, tanken, Reifendruck überprüfen, Autobahnvignette kaufen – da ist man schon jede Menge Geld
losgeworden, obwohl man noch kein Fleckchen Schnee gesehen hat. Auf den Landstraßen mäßig voran, bis man an die
Landesgrenze kommt; erster Stau. Auf der Autobahn geht es mit Stopp & Go weiter, wir waren wohl nicht die Einzigen mit
der Idee, das Wochenende in den Bergen zu verbringen.
Nach knapp 2 Stunden hat man es endlich geschafft: Gerade noch einen Parkplatz an der riesigen Liftanlage gefunden. Jetzt
die Füße in die Schuhe quetschen, die Kinder jammern zum ersten Mal, dafür trägt man auch ihre Schier über den endlos
langen Parkplatz bis zum Lift.
Nun kann man das erste Mal durchatmen! Frische Bergluft, schneebedeckte Berge, Stille, Fernsicht? Nicht ganz, Nebel hat
sich eingehängt, aber die Wolkendecke wird gegen Mittag schon aufreißen… Nach der Gondel kommt ein Sessellift, dann
noch einer und eine halbe Stunde später steht man ganz oben und nun geht’s schier endlos bergab! Hmm… Ist nicht ganz
einfach, weil viele Leute gleichzeitig auf der Piste sind, es ist ziemlich vereist dort oben, macht wohl der Kunstschnee,
die Kinder sind überfordert, wir müssen eine einfachere Piste suchen. Wo ist die Orientierungkarte? Ach ja! Wir müssten
jetzt eine Querverbindung einschlagen, ist leider etwas flach, wir werden schieben müssen, die Kinder vor allem… So,
das ist jetzt ein wirklich flacher Hang, ideal für Kinder. Leider gibt es da nur einen Schlepplift, die Kinder kennen
aber nur Sessellifte und jammern lautstark los. Naja – bei dritten Versuch haben sie es geschafft, den Bügel unter dem
Popo festzuhalten. Wird schon werden!
Es ist jetzt schon Mittag vorbei. Alle haben Hunger. In einem großen Hüttenrestaurant mit lauter Volksmusik erkämpfen wir
uns nach einer Viertel Stunde Wartezeit einen Tisch. Ich komme mir vor wie ein Außerirdischer, während ich mit den
klobigen Schistiefeln und einem Tablett voller Teller und Getränke durch den Raum stapfe und schwitze, weil ich Angst
habe, auszurutschen, das Tablett zu neigen, so dass dann alles, was ich teuer erworben habe, am Boden zerschellt.
Jetzt sind wir satt und müde. Das Wetter ist nicht schöner geworden, leichter Schneefall, schlechte Sicht. Zum ersten Mal
stelle ich mir vor, wie schön es jetzt zu Hause auf der Couch wäre.
Aber wir müssen weiter, die Liftkarten waren teuer. Um die Kinder bei Laune zu halten, fährt man halt zwanzig mal
denselben Schlepplift hinauf und lässt sich so gut wie ohne einen Slalomschwung nach unten treiben. Die Liftkarte würde
einem Zutritt zu mindestens 20 anderen Liften gewähren, aber was tut man nicht alles, damit die Kinder glücklich sind.
Endlich ist es vier Uhr, wir müssen noch unser Quartier suchen… Alles gut, die Betten sind klein, das Restaurant
riecht nach altem Fett und Zigarettenrauch, aber als wir uns dann ein oder zwei Feierabendbiere gegönnt haben, sind wir
zufrieden, dass wir den ersten Tag gemeistert haben.

Soll ich noch weiter erzählen?
Es ist nicht nötig, meine ich, denn der zweite Schitag läuft so ähnlich wie der erste, die Heimfahrt so wie die Hinfahrt,
mit dem Unterschied, dass gefrierender Regen eingesetzt hat und ich in einer langen Autoschlange im Schneckentempo über
die Landstraße krieche, mit müden Augen, vereister Windschutzscheibe und äußerst konzentriert.
Irgendwann liege ich in meinem wunderschönen, sicheren Bett. Wenn ich die Augen schließe, sehe ich lauter
Autoscheinwerfer auf einer nicht enden wollenden Straße. Manchmal schrecke ich im Hinüberdämmern auf, weil ich mir gerade
vorgestellt habe, ich hätte in einer vereisten Kurve zu stark gebremst…

Am nächsten Tag erzähle ich in der Arbeit von meinem ereignisreichen Aktiv-Wochenende, von den überhöhten Preisen, von
den überfüllten Straßen und von den Idioten, die ihren Führerschein im Lotto gewonnen haben. Meine Kollegen können
Ähnliches berichten.

Ist es das, was ich wirklich wollte?
Stellen wir uns so ein ideales Leben vor?
Kann es denn falsch sein, wenn es so viele machen?

Vielleicht bin ich ja nur zu bequem geworden. Früher machte mir so ein Wochenende auch nichts aus. Ich war einfach härter
im Nehmen. Aber Moment mal? Es kann ja eigentlich nicht das Ziel sein, seine freie Zeit dafür zu verwenden, um etwas zu
tun, was man nur dann erträgt, wenn man ausreichend Durchhaltevermögen hat. Was ist mit uns passiert, dass wir unsere
persönlichen Wünsche geringer schätzen als den kollektiven Wunsch einer Mehrheit? Oder orientieren wir uns stets an der
Mehrheit, weil wir Angst davor haben, nicht dazu zu gehören?

Das Schiwochenende ist nur ein Beispiel von vielen. Wir besuchen Ausstellungen, Feste, Messen, wir gehen shoppen, wo sich
die meisten Menschen drängen, am besten an einem verkaufsoffenen Sonntag(!), wir schauen uns „Familienshows“ im Fernsehen
an, die uns einschläfern, wir verbringen Stunden damit, unsere elektronischen Multimedia-Geräte soweit zu bringen, dass
sie auch das tun, was wir wollen, wir machen Ausflüge in Gegenden, wo es nicht anders aussieht als vor unserer Haustür,
wir besuchen Leute, die wir eigentlich gar nicht mögen, wir gehen in Restaurants und überfüllen unsere Mägen und betäuben
uns mit Alkohol, nur weil wir nicht wissen, was wir mit unserer Freizeit anfangen sollen.
Manche halten es für eine sinnvolle Beschäftigung, exzessiv Sport zu treiben, na gut, das verschafft einem wenigstens
eine kurze Zeit Zufriedenheit, weil unser Körper so müde ist, dass er zu allem ja sagt, was ihn nicht weiter quält.

Wenn wir herausfinden wollen, was wir wirklich wollen, müssen wir erst einmal zur Ruhe kommen. Nichts tun, am besten an
einem Ort der Stille, nichts wollen, alles gut sein lassen, die Sinne für die leisen Dinge schärfen, sich das Wunder
bewusst machen, dass wir hier sein dürfen in dieser Welt der Vielfalt, in einem Körper, der uns ermöglicht, so viel Schönes
zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu riechen, zu schmecken und zu erspüren, dass wir ohne Übertreibung feststellen müssen:
Wir haben das Paradies niemals verlassen. Wie schön kann es sein, ein Blatt zu beobachten, das sich im Wind wiegt und
langsam zu Boden sinkt, oder einen Käfer, der sich Zentimeter für Zentimeter durch altes Laub kämpft, oder das frische
Grün eines jungen Triebes, der sich zum ersten Mal der Sonne entgegenstreckt. Das Langsame ist uns abhanden gekommen,
dabei ist es weit kraftvoller und nachhaltiger als das Schnelle, das wir zu unserem bevorzugten Rhythmus erkoren haben.
Meditation hilft uns dabei, unseren ganz eigenen Rhythmus wiederzufinden. Sie ist ein Weg, unsere Unabhängigkeit und
Individualität wiederzuerlangen, so dass wir in der Lage sind, unsere eigene Wahl zu treffen, zu tun, was wir wirklich
wollen.