Die guten alten Zeiten
BEDADEVA-Blog von Bernhard Künzner
Ich bin jetzt 60 Jahre alt und ich habe viel erreicht. Ich stehe kurz vor der Rente, deren Höhe mir voraussichtlich ein sorgenfreies Leben gewährleistet. Ich habe 3 kluge, hübsche Kinder, die auf eigenen Beinen stehen. Ich habe eine perfekte Ehefrau, einen Hund und ein schönes Haus. Außerdem fühle ich mich kerngesund.
Und trotzdem, obwohl ich alles habe, was zu einem glücklichen Leben gehört, finde ich, dass mein Leben früher in gewisser Weise einfacher war; früher, das heißt in meinen Zwanzigern.
Damals habe ich einfach getan, was andere auch taten: Am Wochenende durch die Kneipen ziehen, essen und trinken, wonach mir der Gusto gerade stand, kaufen, was gerade in war. Als ich mir damals als Erster in meiner Clique einen BMW kaufen konnte, war ich jemand! Ich dachte mir damals, wenn ich es irgendwann schaffen sollte, mir ein eigenes Haus kaufen zu können, und eine Familie habe, bin ich am Zenit des Menschenmöglichen angelangt.
Inzwischen, fast 40 Jahre später, bin ich Vegetarier. Ich achte auf die Herkunft der Lebensmittel und trinke so gut wie nie Alkohol. Wenn ich einmal pro Monat auswärts essen gehen, dann nur in einem ausgesuchten Restaurant, das meinen Vorstellung von Nachhaltigkeit und Ökologie entspricht. Wenn ich auf Feiern eingeladen bin, verlange ich als Getränk nur stilles Wasser. Ich meide zuckerhaltige Kost und entsage meiner früheren Leidenschaft Kuchen. Ich überlege gut, wofür ich meine Zeit nutze. Wenn ich früher noch einen Abenteuerroman nach dem anderen verschlungen habe, so frage ich mich heute, welches Buch mich voranbringt und nicht nur unterhält. Unser Fernsehgerät ist seit einem Jahr kaputt und das wird auch so bleiben, denn sinnfreies Herumzappen gibt es nicht mehr. Ja, und bzgl. Auto… Ich fahre einen 7 Jahre alten Opel und der muss auch noch weitere 7 Jahre durchhalten.
Weine ich den alten Zeiten nach?
Nein!
Ich bin froh, dass ich rechtzeitig erkannt habe, dass ein Verharren in den lieben alten Gewohnheiten und Bräuchen zum persönlichen Stillstand führt. Natürlich besteht die Versuchung, die Dinge und Handlungen, die einen früher glücklich gemacht haben, zu wiederholen. Wenn ich früher mit Freunden zusammen in einer gemütlichen Bar einen über den Durst getrunken habe, habe ich mich für kurze Zeit sehr wohl gefühlt. Daher könnte ich auf die Idee kommen, das Ereignis zu wiederholen. Hab ich auch gemacht… war aber nix. Es ist einfach nur ätzend, immer wieder auf die alten Zeiten anzustoßen. Als ob ich immer noch derselbe wäre wie damals! Als ob ich jetzt nicht ebenso gute Zeiten haben könnte! Mutant tempora et nos mutamur in illis, Die Zeiten ändern sich und wir ändern uns mit ihnen – so heißt ein lateinischer Spruch, der mir aus der Schulzeit in Erinnerung geblieben ist.
Wiederholungen sind öde. Sie reduzieren uns auf die Vergangenheit. Wer in der Vergangenheit lebt, ist bereits so gut wie tot. Daher stelle ich mich auf das Jetzt ein, jeden Tag von Neuem, und tu das, was nötig ist, um dabei glücklich zu sein. Gestern habe ich Kuchen geliebt, heute esse ich sehr gerne eingelegten Linsensalat und morgen ernähre ich mich womöglich allein von Licht. Wer weiß?
Man liest immer wieder, dass wir nur einen Bruchteil unseres Gehirns nützen. Daher habe ich vor, mein Wissen täglich zu erweitern, weil ich mich schon lange frage, wozu ich fähig bin, wenn ich 100 % meines Gehirns nutze!
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